Art und Geschreibsel

von Lotta Blau & Freunden

Wir begrüßen herzlich und freuen uns über die Lyrik von Norbert Prettenthaler.


Sieben Fragen von Lotta Blau an Norbert Prettenthaler


Lieber Norbert, du fotografiert gerne. Mir gefällt dabei dein Blickwinkel und der minimalistische Stil. Gibt es Fotografen/innen, die dich inspirieren?


War es vielleicht ursprünglich die Anne Leibovitz und die Magnumfotografen, die mich zu Personenportraits um die Rock und Popportraits um SPEX in den 80ern führten, so kam ich in den 90ern mit Begegnungen von Dokumentaristen, wie Heinz Grosskopf und seinen Irelandportraits Landschaftstyologien und ihren Stimmungen näher. Alles noch anolog. Dazu kamen Architektur- und Sozialstudien, ebenso experimentelle Versuche, um eine bewegte Kameraführung und Langzeitbelichtungen aus fahrenden Objekten. Diese Experimentalversuche startet ich in extrem belastenden unruhigen Situationen, zumeist nachts. Shirin Neshads Filme und Fotografien haben mich um das Jahr 2000 zu mehreren Orientreisen - Türkei, Äthiopien - veranlasst, wo ich fast zeit-rückschrittliche analoge S/W Serien schoss. Serien über Strassenkinder in Ähtiopien und Rumänien rundeten diese analoge Phase gegen 2005 ab. Gleichzeitig kam ich wieder zurück zur Portraitfotografie der frühen Phase, nur diesmal mit Flüchtlingen und Asylsuchende.

Damals war ich auch letztmalig in einer analogen Dunkelkammer. Schade. Nach über 20 Jahren hatte meine Olympus OM 2 ausgedient. Mit sog. Digital-Bridge-Kameras ging es weiter. Neben meinen Filmen, begann eine neue Ära des digitalen Wahrnehmens und der Bildbearbeitung. Was ich ursprünglich mit einem einzigen analogen Foto am Tag – der goldene Augenblick des Tages – aufs Fotopapier brachte, nahm nun neben meinen Filmen einen digital-inflationär-dokumentarischen Charakter an. Die Festplatten füllten sich. Aber das waren Standbildversuche neben meinen Filmen, um Beine und Auge in permanenten Training zu halten. Gleichzeitig beweglich in den Mikro- und Makrobereiche des Sehens vorzudringen. Daraus entstanden völlig neue Serien und spontanere Blickwinkel, eine willkommene kreativ-künstlerische Abwechslung neben meinen Filmen. Dazu kamen Ausstellungen. Landschafts- und Naturbilder finde ich in meiner Altersphase heute effizient wie heilsams. Im minimalistischen Versuchsserien ergeben sich da völlig neue meditative Serien, um den nicht enden wollenden Versuch, die geistige Ebene aus einer Sekundenbruch-Verschlusszeit heraus ins nachhaltig Lichtwerte zu übersetzen. Das eigenste grosse Staunen aus diesem Moment heraus haltbar zu machen: egal wo, egal worüber. Die Bilder lass ich vor dem Auslöser zu mir sprechen. Klick.


Ähnlich, wie deine Fotografien, sind auch deine Filme. Oftmals drehen sie sich um soziale Themen. An einem habe auch ich mitgewirkt - 17 FRAGEZEICHEN. Beeindruckt haben mich unter anderem die Filme DIE GOLDENE STADT und AN EINEM SONNTAGMORGEN. Du hast einst Rechtswissenschaften studiert. Wie kamst du dann zum Film?


Den Rechtsanwaltsberuf habe ich nach wenigen Monaten an den Nagel gehängt. Zu geldlastig war mir die ganze Angelegenheit geworden. Zuviel verzweifelte Gesichter angesichts der Honorarnoten und. Exekutionen. Zuviel Wortglauberei. Zuviel Zwist und Streit. Ein 12- Stunden Tag - einfach zu viel.

Dachte daran Filmanwalt zu werden, aber namhafte Filmproduzenten rieten mir überhaupt ab, in die Filmbranche zu wechseln. Das war der Ansporn. Ich übersiedelte 1994 nach Wien und startete eine Karriere als Beleuchtergehilfe in der TV-Serien- Produktion“ Kommissar Rex“. Der erste Drehtag in der psychiatrischen Anstalt Steinhof über Wien hätte mich warnen müssen. Nun hatte ich einen 14 Stunden Tag. Rasch war ich auch als Winkeljurist für namhafte Schauspieler hinter den Kullissen gefragt und wechselte nach wenigen Monaten zum Regieassistenten und Produktionsleiter in verschiedene Produktionen: Spielfilm und Theater.
Ein Karrieresprung. Zwischendurch vertiefte ich mein Wissen über Urheberrecht im Verlage Medien und Recht. Der unparteiische Jurist war zwar überall gefragt, wurde aber auch schnell bedingt durch die kritische Innenschau gefährlich, weshalb ich mich entschloss, mich aufs Drehbuchschreiben selbst zu verlegen. Ich hatte dabei rasch Erfolg, gewann den Carl Mayer Drehbuchpreis 1996 und startete voll motiviert ein erstes eigenständiges Filmprojet – als Autor und Regisseur. Die „Goldene Stadt“ feierte 1 Jahr später Kinopremiere auf der jüdischen Filmwoche in Wien im ausverkauften Künstlerhaus am Karlsplatz. Dann gings flmisch weiter.

Auch die Musik spielt in deinem Leben eine Rolle und die Lyrik. Ich erinnere mich an einen wunderbaren lyrischen Austausch zwischen uns. Jeweils der eine reagierte auf die Zeilen des anderen. Schreibst du noch Lyrik?


Zwischen 1986 und 1992 arbeitet ich neben meinem Studium als DJ.
Indepentent Musik war angesagt und in den Clubs, wo ich auflegte, gingen Künstler und Kunstinteressierte aus und ein. Lyrics waren damals Bestandteil des Überlebens neben den strammen Rechttexten. In den späten 90ern habe ich Wien dann an einem Poetry-Slam-Wettbewerb teilgenommen und hatte gleich 3 Preise in Folge mit einer Poetryfolge erreicht, ein Text, der mit der Popkultur kritisch abrechnete. Ich hab damals auch Rund ums Burgtheater in Wien neben Raul Schrott und Bodo Hell gelesen und besuchte die Schule für Dichtung um die Beat Poeten Anne Waldmann und Christian Ide Hintze, der mir den Seherbrief von Rimbaud nahelegte. Der begleitete mich dann auf meiner Afrikareise nach Äthiopien. Daneben studierte ich Sufiliteratur und reiste mehrfach in den Orient.  Mein Text „Kelly“ landet schieslich über den Frontmann der irischen Band „The Frames“, Glen Hansard, nach einer Vielzahl von gemeinsamen Auftritten in Dublin. Eine Art literarisch - poetisches Heimkommen. Musik und Text hatten sich wieder vereint. Hansard hat später den Oscar in Los Angeles gewonnen.

In den Folge habe ich literarisch und journalistisch mit dem holländischen Autor Ruud van Weerdenburgh gearbeitet und mit einem österreichisch-irischen Maler 2 Gedichtbände herausgegeben. Immer wieder entstanden Gedichte und hielt ich Lesungen innerhalb diverser Literaturzirkel in Graz jenseits der Poetry Slam - Szene ab.
Der Gedichtband „Crossing“ landete über Galway sogar beim irischen Staatspräsidenten. Um das Jahr 2010 leitete ich eine Literatursendung im freien Radio Helsinki und sah Gedichte immer wieder als Trainingsfeld in eine erweiterte poetische Filmsprache einzudringen. So fanden auch Gedichte, Zitate, Textsplitter Einzug in mein Filmschaffen, das sich von meinen poetischen Versuchen nicht mehr trennen lässt. Die Filmsprache erhält neben Musik einen poetischen Touch, einen Sub-Text-Raum den Film nötig hat. Seit mehreren Jahren schreibe ich poetische Miniaturen nur noch selten in privaten Nachrichten.

Nennst du mir fünf für dich wichtige Bücher?


Andriej Tarkowski: Die versiegelte Zeit
John Piper: Die Passion
Wim Wenders, Peter Handke: Der Himmel über Berlin (Drehbuch)
Gerald Hüther: Lieblosigkeit macht krank
Henry David Thoreau: WALDEN


Was ist dir in der Gegenwart wichtig?


Das Wichtigste an der Gegenwart scheint mir mit sich selbst in den Einklang der Einheit zu kommen. Das mag egozentrisch klingen, aber scheint mir nur zu logisch. Frieden und Erlösung in sich selbst zu suchen. Dieser Frieden lässt sich dann teilen. Die äusseren Zustände arbeiten ja sichtbar laufend dagegen, weshalb grade die „kleinen Schritte“ zwischenmenschlich, oft wichtiger erscheinen, als das staatstragendes Geschwafel rundum. Die Prophetie geht sowieso von chaotischen Zu- und Umständen aus, die gerade heraufbeschwört werden, so als hätte es unsere Haltung um die Wende 1989 nie gegeben. Offensichtlich lässt sich der „Lauf der Zeit“ nicht stoppen, auch wenn uns das laufend eingeredet wird. Was ist mir wahrlich wichtig?

Als Mensch suche ich eine Verbindung zur Natur, zu den Codes der Natur, um Heilung. Hier liegen die magischen Momente meines Wahrnehmens, meiner Einsicht und Demut. Diese Brücke ist da und allgegenwärtig. Sie lässt sich mit Fahrrad oder zu Fuss umweltfreundlich überqueren. Nur zu oft habe ich als Bauernkind die Lebensgrundlage verloren, den Atem verraten, mich den Stadt- und Staatsauswüchsen ausgeliefert, um wieder zu erkennen, dass in jedem Augenblick – gegenwärtig - sich der Himmel offenbaren vermag. Diese Momente, wie ein Schmetterlingsammler, als Zeugnis einzufangen, scheint mir wichtiger, als als Strafverteidiger aufzutreten. Natürlich hat die Gegenwart mit Offenbarung und Entrückung genauso zu tun, wie mit dem Umstand, dass wir alle Suchende grade danach sind. Im Augenblick überschneiden sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Da trifft dich die Ewigkeit mit ihrem Windhauch – Ruach,

Und für die Zukunft?

Im Film „Opfer“ von Andrei Tarkovsky giesst ein alter Mann mit seinem Enkel einen Baum. Mein Grossvater und ich haben es ähnlich unternommen. Das Land, die Schöpfung und die Einsicht, dass Leben sich über die Jahre fortsetzt. Zukunft die genährt, gezeugt und gedacht werden möchte. Eine Zukunft, die gedacht ist – längst fertiggestellt, während auf dem Planeten Erde grade der Kampf um den Baum des Lebens im avatarschen Sinne läuft. Eine brutal-künstliche digitale Maschinenwelt macht sich über das Leben her. Ausschliesslich wie vernichtend. Allmachtsphantasien in absurd-mörderischen Varianten manipulieren die Masse. Sie „spielen“ verlogen Allmacht. Die Zukunft wird auf Rückzugsinseln und Archen geschehen, von wo aus geistige Entwicklung geschehen kann und wird. Diese Archipele müssen wachsen und sich entwickeln. Selbsterhaltungsfähig und eigenverantwortlich. Ressourcenschonend und nachhaltig. Ernährungsbewusst und regional. Umweltschonend und den grundsätzlichsten Menschenrechten verantwortlich. Friedfertig einander zugewandt.

Die ausufernden Systeme des späten 20. Jahrhunderts laufen in Gefahr längst ausgedient zu haben. Diese gilt es zukünftig zu überdenken. Nicht unbedingt im globalen oder nationalen Sinn, sondern in kleineren regionalen Gruppenaustausch stehen. Dort stehen die Leitern der Zukunft. Dort erhalten wir Auftiegshilfen in eine lebenswerte, friedfertige und unsersterbliche Welt. Auch wenn die apokalyptischen Reiter den Planeten mit Asche überziehen, so bleiben diese grün-funkelnden hoffenden Lebensflecken, wo alles zusammen erlebt wird.


Was gibt dir Hoffnung?

Die meine Hoffnung entspringt die Wahrheit, die ich erfahren durfte. Am Tiefpunkt des eigenen Lebens angekommen, durfte ich eine Gotteserfahrung machen, die mir nicht bloss Stärke gab, sondern auch eine Vielzahl an Möglichkeiten und Hoffnungen. Eine Hoffnung, die nicht zuletzt stirbt. Eine Hoffnung, die sich längst bewahrheitet und offenbart, auch wenn daraus wieder bloss eine übergeordnete Hoffnung hindurchbricht. Die allzumenschlichen Schmerzgrenzen hinter sich zu lassen, um in der heilsamen Einheit anzukommen. Dieses Aufblitzen des Lichts, oft in der Verschlusszeit der Kamera, das gibt Hoffnung. Das Aufleuchten des Wortes, dass sich manifestiert. Der stille Gedanken der über dem Wasser schwebt und sich dir entgegenkommt. Anne Clark singt von „Hope Road“ und die Band Fad Freddy Drop hat mit „Hope – Hope for the Generation“ etwas zeitgemäss tanzbares abgeliefert. Die Hoffnung lässt sich auch tanzen.

Die Hoffnung ist das Wort, welches die Warteschleife beschreibt, aus der heraus wir zuwarten. Die Augenblicke sind von dieser Hoffnung aneinander gereiht und ebenso durchdrungen. Schrittfolgen zum grossen Ganzen, wo das Hoffen im direkten Erleben aufgeht. In wievielen Filmsequenzen ich diese Lichteinfälle erleben durfte, zeigt sich in meinen Arbeiten. Ich hoffe, dass meine Arbeit etwas von dieser Hoffnung und der Einheit dahinter direkt zu vermitteln vermag. Daraus lebt die Hoffnung und erlebt sich.


Lieber Norbert, ich danke dir und wünsche dir und deinen Lieben alles Gute und für dein kreatives Schaffen noch viele weitere Ideen.

Lyrik von Norbert


im flug bin ich nie allein

im windhauch getragen

im weissen gefieder

der eigensten trails

das auge ins dasein gerichtet

setzt sich ein tropfen frei

und verlässt den himmel

nährt jene die gebeten hatten

und zeugt im landen von frieden

im weissen kleid

weht das halsband der taube


die schiesswütigen treffen sich untereinander

mit ihren projektilen


- die fugbahnen haben sie belastet

vergiftet die alten streams

ohne rücksicht

auf den lebendigen flügelschlag

und das intervall dazwischen

in jener flugbahn wird von racketen geredet

und laserabwehrmassnahmen

wird schwarmverhalten animiert

friedlos ohne der wahrheit

ins auge zu sehen


doch ist gott grösser

Norbert Prettenthaler



mein sonntagskinderauge                   

als ich als kind erwachte
mich im bett aufsetzte
aus dem fenster schaute
dem hahn zuhörte
bevor die sonne kam
flog das auge hinaus
über die talböden und kuppen
des wilden westen
kerzengrade nach süden
und setzte sich auf dem tafelberg fest
dahinter liegt afrika
hatte der onkel gesagt
im traum konnte ich nicht fliegen
und lief trotzdem über den nebel
die hochstrasse entlang

das bild hat sich auf der festplatte eingebrannt
erfreut sich dankend am teilen
- dem fotografen

Norbert Prettenthaler



heute muss ich schreiben

weniger ist mehr sagte die stimme

hinterher

der ausgeformte gedanke

in unserem herzwurzelsalat

saftig mit gläsereren türen

booten auf den kanälen

einer salzbahn an deiner haut

perlentropfen, die sich aneinander kühlen

tropfen von schweiss

die weberin zeit hat die zeiger angehalten

endlich kommt ewigkeit ins spiel

singen die lieder

zart hebt sich die decke aus dem meer

atmet mit den gezeiten zeitgleich ineinander verwoben

und fliegt mit dem Du im fluss die uferlandschaften entlang

nicht braucht es zitten das herz

angst war schon immer der falsche Ratgeber

der tanz die antwort

liebender noch

wollen wir werden

liebender noch alles im fliessen

in sich

in allem

Norbert Prettenthaler

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Damals


Der blaue Impffleck

in der zeitlosen Beuge

verblieb als digitaler Bluterguss

nach der Kurzarbeit

dem Kurzschluss

koste es was es wolle

fuer Nachtschwimmer

war es parasitär

damals

zuviel geworden

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Früh


Der Frühe Vogel

ohne Maske

nähert sich dem Stehcafe

Fassaden als Bühnen

Irgendwo anders sterben Menschen

Blicke fallen über Mundwinkel

ziehen sie herunter

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Virus


Office Unser

Alle ziehen ab

Team des Home-Fenster

Das Office allein für unser

Kann man sich in Ruhe betroffen erklären

für die Net-Einstellung

doch nicht infiziert zu sein

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Wort


Tote sterben einsam

unter dem Inhalator

wie sie immer gestorben waren

an Erkrankungen

Viele Auslöser erzeugen in den Summen

bloss ein unsichtbar geschriebenens Wort

im Hauch eines Atemzuges