Meinen lieben Freund Armin Guther aus Schreiberlings Perspektive für euch gezeigt... Viel Spaß beim Lesen. In Erinnerung an diese Zeit, in der ich von ihm, dem "Alten" in der Kunst einiges gelernt habe. Trotz oder gerade weil uns Jahrzehnte trennten...
Zahnarzt, Bildhauer und Zangenkunst
"Ich habe immer einen Beruf gesucht, in dem ich helfen kann und der auch kreativ ist. Eine Tätigkeit, in der ich Kunst und Beruf vereinen kann. So bin ich Zahnarzt geworden.“ Tatsächlich ist Armin Guther sein ganzes Leben beides gewesen. Freischaffender Künstler und Zahnmediziner. Die Kunst bezeichnet er als seinen „ Zweitberuf“. Zwar übte er die Zahnarzttätigkeit viele Jahre nicht aus, weil er sich hauptsächlich der Bildhauerei und Malerei widmete, doch im Herzen blieb er seinem ersten Beruf treu. Als erst kürzlich bei einer Routineuntersuchung die Diagnose Krebs gestellt wurde, da wollte er nicht aufgeben, kehrte zurück zur Medizin, ohne der Kunst den Rücken zuzudrehen. „Viele hielten das für verrückt, mit über 70 Jahren und 15 Jahre Pause“, erzählt er.„Aber das hängt einfach mit meiner Krankheit zusammen.“
In manchen seiner Kunstwerke drückt sich dieses Verlangen nach Harmonie und Zusammenspiel von seinen Berufen auch aus. In der Skulptur „ Freude der Zangen“ verbindet er. Will damit auch, so sagt er, zeigen, dass die Zahnmedizin mehr ist, als die ewige Angst des Patienten vor den Zangen, oder überhaupt vor der Behandlung.
In seiner Praxis hängen einige seiner Werke aus. So nutzt er sie auch als Ausstellungsfläche. Den Patienten gefällt das, gibt er zu verstehen.
Seine Zahnarztpraxis liegt im ausgebauten Kellergeschoss seines Hauses.
Den typischen Praxisgeruch, den wohl jeder kennt, riecht man, wenn man sein Haus betritt, aber nicht. Eher schlägt sich der Farbgeruch aus seinem Atelier, welches sich im ersten Stock befindet, durch.
Praxis, Atelier, Wohnung... alles unter einer Decke, sozusagen. Armin Guther lebt und arbeitet in Heidelberg. Als Zahnmediziner hat er nur noch Privatpatienten. Das reicht ihm auch.
Am Haus befindet sich ein großer Garten. Ihn zieren viele Skulpturen des Künstlers. Manche schon bewachsen mit Efeu. Es ist ein romantisches, friedliches Bild. Während er fast wie ein Weiser, so bedächtig und irgendwie in sich gekehrt, durch seinen Garten geht, erzählt er von seiner neuesten Arbeit. Dem Dienstmann MUCK. Diese Bronzeplastik steht jetzt am Heidelberger Bahnhof. Er hat sie der Stadt geschenkt und seinen beiden Söhnen gewidmet.
Dienstmann Muck, der Kofferträger vom Heidelberger Bahnhof, hieß eigentlich Johann Fries, geboren 18 37, erzählt er. Muck nannten ihn die Studenten dieser Stadt. Der Dienstmann war zu Lebzeiten sehr beliebt, weil er hilfsbereit, bescheiden und schon auch mal schlagfertig mit Worten war. Noch heute hängen in verschiedenen Gaststätten Fotos oder Zeichnungen von ihm. Erst kürzlich wurde nun auch die passende Gedenktafel angebracht.
Ganz hinten, unter einem kleinem Dach, im Garten, da arbeitet er an seinen Werken. Da wird ein einfacher Stein-oder Mamorblock zu etwas lebendig Anmutendem. Etwas aus Stein, welches menschliche Eigenschaften trägt und ausdrückt. Trauer zum Beispiel. Eines seiner Vorbilder in der Bildhauerei ist Rodin, bemerkt der Künstler. Es fängt etwas zu regnen an. Warmer Regen. Diese Tropfen verändern das Bild der Kunstwerke. Die Skulpturen scheinen zu glänzen. Irgendwie wirkt dieser Garten wie ein Hauch von einem Märchen. Von einer Geschichte auf jeden Fall. So, wie wohl jeder Stein hier seine Geschichte hat. Im Sommer wachsen wilde Erdbeeren und es blühen Lilien. Das alleine sei schon ein Kontrast, zu den weißen Skulpturen, so der Bildhauer.
Dann schweigt er. Wieder in seinem Haus angekommen, setzt er sich an einen runden Tisch ins Vorzimmer zur Terrasse und schaut nach draußen in seinen Garten. Viele Vögel könne er immer beobachten und den Nussbaum habe er selbst einmal gepflanzt. Nussbäume liebe er. An seiner Wand hängt ein Foto mit zwei Eichhörnchen, die in seinem Garten leben. Er fotografiert sehr gerne, gibt der Bildhauer zu verstehen. „Viel und alles...“ Auf seinem etwas unaufgeräumten Schreibtisch liegt seine Kamera bereit. Etwas verlegen sagt er: „ Ganz ordentlich war ich nie.“
In seinem ganzen Haus hängen Bilder und stehen kleinere Skulpturen. Dieses Haus ist selbst eine Ausstellung. Selbst an den Fenstern von innen und außen stehen oder liegen seine Werke und auf der Wendeltreppe zum Atelier, auf den einzelnen Stufen, ruhen von Reisen mitgebrachte Findlinge. Umgestaltet zu Köpfen.
Den Künstler selber bemerkt man fast nicht, wenn man sich im Haus bewegt, obwohl er ständig in der Nähe ist. Es ist seltsam und hat etwas von liebevoller Zurückhaltung dem Gast gegenüber.
Als es dunkel wird, setzt er sich in einen Klappstuhl auf seine Terrasse. Für ihn gibt es nur noch das Heute. Keiner weiß, was morgen sein wird. Nicht nur wegen seiner Krankheit. Obwohl er gute Heilungschancen hat. Er will sich nur mit lieben Menschen umgeben. Sich nicht mehr ärgern müssen. Ab und an, will er aus seiner Stadt heraus. Besonders im Sommer, sei es schwer auszuhalten. Die Luft wäre dann geradezu erdrückend schwül, hier in Heidelberg. Aber ansonsten lebe er gerne hier. Da, wo sein Muck steht und seinen Platz gefunden hat...
Lotta Blau,2003